Sonntag, 28. Oktober 2007
Dreckszeit
"Es geht immer weiter", daran muss man denken. Stimmt auch, es geht weiter, das Leben. Nur in meinem Fall geht es leider ohne mich weiter. Träge fließt es mit mit durch die Landschaft, während ich vor einer Mauer stehe. Die Zeitwahrnehmung sagt, dass die Zeit stillsteht, seit zwei Jahren, während sie mir in Wirklichkeit davonläuft. Gefühlte gegen reale Zeit.
Ich wünschte, ich wäre tot. Den Kopf habe ich mir tausende Male gegen die Wand gerannt, mir die Fingerknöchel zerschlagen, die Zehen gebrochen. Die Zähne abgerieben, gegen das Ziehen von Innen, Tage und Wochen den Innereien beim Verscheiden zugesehen. Aber Sterben genügt wohl nicht, man muss am Ende auch tot sein. Erinnert mich an Orgasmusschwierigkeiten. Wie man sich von einer Metapher nur so fertig machen lassen kann. Drecksmauer. Dreckszeit. Wenn ich nur wüsste, wie ich da rauskomme. Denn schließlich geht es ja angeblich weiter. Angeblich.

... link (0 Kommentare)   ... comment ...bereits 376 x gelesen


Freitag, 5. Oktober 2007
Arschgeigen im Flur
Man darf sie nicht erschlagen. Auch nicht in günstigen Momenten. Dieser steht im dunklen Flur. Leises Guten Abend, eigentlich Entschuldigung. Zu früh gekommen. Ach so, auch noch aufgedrängt. Und ich muss raus. Jetzt, denn es ist nicht mein Schmerz, der da unverhofft früh im Flur die Augen senkt. Klein ist er, der Flur drückt auf ihn ein, die Wände, die Türe. Spricht nicht. Flieht in einen Mittelpunkt zwischen seinen Augen. Ich als Aktivität, unterdrückte Hektik zwischen zwei statischen Punkten. Einsammeln, Mantel, Tasche, letzte Worte. Zur Tür, gedämpft aber freundlich grüßen ohne Augenkontakt. Nicht schlagen. Nicht treten. Nicht beschimpfen.
Sie sind schwach. Sie meinen nicht böse. Sie verdrängen. Sie können nicht.
Die Tür schliesst sich hinter mir. Zu gern hätte ich sein Hirn graurot die Flurwand hinablaufen sehen. Blut in Gallert gesenkt, in den weißbemalten Rillen der Holzverschalung. Ich kann Verantwortung übernehmen für meine Taten. Schädelbasisbrüche aus erster Hand ohne Reue und gewusst warum.
Was wäre ich ohne die gute Erziehung? Nur zuschlagen bei eigenen Schmerzen, heisst es. Und auch da nicht immer. Nur, wenn sie anhänglich sind. Den meisten Menschen ist das nicht zu eigen.
Und Gottfried sagt immer, wozu das Zuschlagen? Bei einer Welt voller Arschgeigen wäre man dann doch auf immer beschäftigt.

... link (0 Kommentare)   ... comment ...bereits 352 x gelesen


Mittwoch, 15. August 2007
"Das hält bei dem Wetter wieder kein Schwein aus.", sagt Gottfried grimmig und hängt seinen Hut an einen Haken. Am Haken nebenan hängt ein Küchentuch, der nächste Nachbar trägt einen Wintermantel. Hier hängt, was zu hängen kommt.
"Kaum kommt die Sonne raus, nur noch Gegrinse. Dämlich."
"Sonst heisst es immer, die Leute ziehen alle eine Fresse. Was denn nun?"
Er setzt sich. Langsam, denn es sind Klappstühle. Ich kann den Stuhl seufzen hören.
"Ach! Die Masse macht's, alle gleich. Gibt es denn gar keine individuelle Stimmungslage? Entweder Fresse oder dämlich?"
"Ich weiss nicht,", sage ich, "Ich kann nur für mich selbst sprechen." Und grinse, immer noch und wieder. Denn der Sommer hat in dieser Wohnung gerade erst angefangen.

... link (0 Kommentare)   ... comment ...bereits 352 x gelesen