Montag, 25. Juni 2007
Selbstkritik für eine bessere Welt
An manchen Tagen könnte ich jede Bodendiele einzeln raußreißen und damit durch die Stadt ziehen, um Menschen zu vermöbeln. Aber so viele Dielen wie ich bräuchte, hat die Wohnung gar nicht. Zwei brauche ich zudem für Gottfried und mich.
Gottfried schlägt einen Umzug vor.
Ich überlege, ob es auch ein großer Sack täte, auf den man mit einer Diele einschlägt.
"Während wir in dem Sack sind?" Gottfried schüttelt den Kopf.
"Wir könnten uns abwechseln!" schlage ich vor.
Das findet er gut.
Da wir den Boden eigentlich gerne mögen, entscheiden wir uns für die 1.5 liter Martiniflasche im Kühlschrank als Schlaggerät, die ist aus dickem Glas und splittert nicht. Müssen wir sie nur erst leer bekommen.
Und das tun wir, während wir überlegen, wie wir alle Menschen in einen Sack bekommen. Mir kommt auf halbem Wege eine Idee.
"Solange es diese Martiniflaschen gibt, könnten wir einfach immer wieder neue kaufen!" Dann bräuchten wir auch keinen so großen Sack.

Doch die Industrie ist perfide. Sowie wir durch sind mit der Flasche, Luft dauerhaft den vollen Innenraum flutet, in gleichem Maße, wie wir uns mit Martini geflutet haben, der bachgrüne Schimmer hinter Glas verschwunden ist, sind wir so alkoholgeerdet, dass uns keine Diele und kein Glas mehr in die Hand kommt.
Wir fangen - bewegungsverhindert wie wir dann sind - bei uns selbst an und schlagen mit Worten.
"Gedankenlose Polyschlampe!"
"Gefühlloser Rabenvater!"
"Perverse intellektuelle Herzlosigkeit!"
"Ichgespaltener Frauenverbraucher!"

Das geht so eine Weile. Gottfried steht plötzlich auf, holt zwei kleine Spiegel und drückt mir einen in die Hand. Den anderen nimmt er und beginnt auf sein Spiegelbild einzuschimpfen.
"Gottfried?!"
Dann begreife ich und stimme ein. Wenn man sich selbst beschimpft, fällt einem noch sogar noch viel mehr ein.
"Emotionale Altlastendeponie! Angstgetriebener Eckenhocker! Pseudomoralischer Drecksphilister!"
Was für eine großartige Idee: Wenn sich jeder selbst schlägt, sind alle geschlagen.

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