Montag, 28. Januar 2008
Herr Walder
Manchmal gehen Gottfried und ich zu einem älteren Herrn, der Cognac liebt, und trinken Sherry. Er stellt ihn nie lange genug kalt, obwohl er genau weiss, wann wir kommen. Vielleicht, um uns die ziellose Bösartigkeit der Welt ins Gedächtnis zu rufen, wenn wir gemeinsam in seinem Wohnzimmer sitzen, das mit wenig Abstand um die Couchgarnitur und die Schrankwand herumgebaut wurde. Und tickt, mit einer beunruhigenden Paniklosigkeit aus tausend versteckten Uhren der Ewigkeit entgegen.
Man bewegt, so habe ich gehört, den Cognac im Glas mit dem voluminös flachen Boden auf der Handfläche kreisend damit er sich erwärmt und sein Aroma entfaltet. Oder war es Weinbrandt? Ich mag meinen Sherry jedenfalls kalt.
Gottfried lässt sich in die Couch sinken, lässt gemütlich den Arm über die Lehne baumeln und zieht Stofffäden aus der Couchseite, wann immer sich eine Gelegenheit bietet. Wenn Herr Walder angeregt cognacschaukelnd auf mich einredet, darf es auch mal eine Tackernadel zur Lederbefestigung sein.
Eigentlich gehen wir aber zu Herrn Walder, weil Gottfried sich so gut mit ihm streiten kann. Wohin Deutschland gerade geht und Europa. Mit Deutschland. Oder ohne. Bei Herrn Walder kann Gottfried die Moderne von sich abfallen lassen, diskutieren ohne Gegenwartsbezug, nur mal so ganz generell übers Politische. Und Herrn Walder zwischendurch trotzdem anschreien, wobei auch Herr Walder selbst sich nicht lumpen lässt. Was für ein gutes Gefühl: Zu vergessen, dass man doch nichts ändern kann, weswegen nichts Bedeutung haben darf und sich trotzdem über etwas echauffieren zu können, so als ob irgendetwas von Bedeutung wäre. Das ist schon einen Asbach Uralt wert.

... link (0 Kommentare)   ... comment ...bereits 428 x gelesen


Sonntag, 27. Januar 2008
Zum Beispiel Rosen
Gottfried und ich sitzen in dem besten aller möglichen Wohnzimmer. Er wirkt unzufrieden. "Die Rosen, muss das sein?"
"Welche Rosen?", sage ich und paffe ein Rauchwölkchen in die Zimmermitte. Coolness will gelernt sein.
"Wenn Du die weiterhin alle an der Wand zum Trocknen aufhängst, müssen wir bald die Couch verrücken."
Wie bei den Höhlenmenschen mit dem Abfall damals. Die mussten nur nicht die Möbel zur Mitte rücken, sondern die Regale höher hängen. Aus der Perspektive des im Raum stehenden Betrachters sozusagen ein Problem auf der Y-Achse, anstatt auf der X-Achse, wie bei mir.
Die Couch zu verrücken kommt für Gottfried nicht in Frage. Er weisst zudem auf die Verwertbarkeit hin.
"Das gäbe prima Mulch. Wenn man das schneidet und im Hof aufhäuft für ein paar Wochen."
"Mulch für...?"
"Zum Beispiel Rosen."
Wir grinsen. Ich schenke mir Tee nach. Das Teelicht im Stövchen blendet uns für einen Moment. Ein uns unbekanntes Insekt, das entweder im Winter nicht plangemäß gestorben ist oder verfrüht den Frühling sucht, fliegt in direkter Linie in die Flamme.

... link (0 Kommentare)   ... comment ...bereits 382 x gelesen


Montag, 31. Dezember 2007
Wer da?!
Gottfried und ich würden ja doch gerne wissen, wer uns liest - schreibt uns doch zum neuen Jahr mal einen kurzen Gruß. Wir würden uns freuen!

... link (2 Kommentare)   ... comment ...bereits 488 x gelesen


Roter Martini 2008
Es klingelt, ich wate durch Papierfetzen zur Tür, den Klingelknopf erst im Blick, dann unter dem Finger. Die Treppe steht und steht. Dann liegt sie unter den schweren Schritten, unter dem Schatten seines breiten Oberkörpers und der schwankenden Tasche.
Ich lächele mein schönstes Lächeln. Ein Lächeln als Frau und Hand, die Sinn in Buchstaben und Worten vom Kopf in die Finger spuckt. Buchstaben zu Worten zu Sätzen oder andersherum? Egal. Gottfried ist wieder da.
"Hier stinkts aber.", sagt er mürrisch während ich die Tür hinter ihm schließe. "Das ist nicht Dein Fußpilz, oder?"
"Der Fusspilz stinkt im Himmel, Gottfried!", mein Grinsen überzeugt ihn nicht ganz, aber er geht nicht weiter darauf ein. Die Tasche fällt auf den Flurboden, plattgedrückt von der Erdbeschleunigung für einen Augenblick, aufgebläht im nächsten.
"Roter Martini", sagt Gottfried. "Ist noch kalt."
Drei Flaschen. Eine für ihn, eine für mich, eine für uns.
Es sieht gut aus. Der Mann, für den ich die Frau seines Lebens bin, hat mich verlassen. Weil er das aus irgendeinem Grund anders gesehen hat. Aber ich bin noch da. Und Gottfried.
2007 sah oft schlecht aus. Aber wir haben ziemlich gute Chancen, 2008 zu überleben.
Und wir wünschen Euch allen ein großartiges 2008. Mit rotem Martini und Eiswürfeln drin!

... link (0 Kommentare)   ... comment ...bereits 383 x gelesen